Erläuterungen zu den Einwirkungsarten

Für jeden Lastfall muss seine Einwirkungsart angegeben werden. Diese legt fest, wie der Lastfall in einer Überlagerung berücksichtigt werden soll (Ständige Last, Nutzlast, ...). Weiterhin legt die Einwirkungsart fest, welche Sicherheitsbeiwerte und Kombinationsbeiwerte bei einer Überlagerung berücksichtigt werden sollen.

Da die unterschiedlichen Normen verschiedene Einteilungen der Einwirkungsarten vornehmen, muss für jede zu berechnende Norm eine entsprechende Einwirkungsart gewählt werden. So unterschiedlich die verschiedenen Normen auch sein mögen, sie haben auch viele Gemeinsamkeiten. Eine "Ständige Last" ist eben in jeder Norm eine "Ständige Last". Dasselbe gilt auch für Wind, Schnee und andere.

Eigenschaften einer Einwirkungsart

Eine Einwirkungsart kapselt drei Eigenschaften:
  • Typ der Einwirkung (Ständig, Nutzlast,...)
  • Sicherheitsbeiwerte
  • Kombinationsbeiwerte

Typ der Einwirkungsart

Der Typ der Einwirkungsart legt die rein physikalische Wirkung der Einwirkung fest. Aus diesem Grund ist der Typ einer Einwirkungsart Norm-unabhängig. Die folgenden Type sind vorgesehen:
  • Ständig
  • Nutzlast
  • Wind (von links, rechts, vorne, hinten)
  • Schnee
  • Vorspannung
  • Außergewöhnlich

Ständige Einwirkungen

Ständige Einwirkungen werden in einer Überlagerung immer angesetzt. Zu den ständigen Einwirkungen gehören die Typen:
  • Ständig
  • Vorspannung
  • Außergewöhnlich

Veränderliche Einwirkungen

Zu den veränderlichen Einwirkungen gehören die Typen:
  • Nutzlast
  • Wind
  • Schnee
Veränderliche Einwirkungen werden in einer Überlagerung nur unter bestimmten Voraussetzungen angesetzt. Es gibt zwei Fälle.
  • Norm ohne Sicherheitsbeiwerte
    Veränderliche Einwirkungen werden nur dann angesetzt, wenn Sie ungünstig wirken.
  • Norm mit Sicherheitsbeiwerten
    Alle Lasten werden grundsätzlich immer bei der Überlagerung berücksichtigt. Sie werden aber mit ihren entsprechenden Sicherheitsbeiwerten multipliziert.
    Es werden zwei Sicherheitsbeiwerte unterschiedenen: Gamma, inf und Gamma, sup.
    • Gamma, inf (inferior), wird berücksichtigt, wenn die jeweilige Einwirkung günstig wirkt.
    • Gamma, sup (superior), wird berücksichtigt, wenn die jeweilige Einwirkung ungünstig wirkt.
    Bei den veränderlichen Einwirkungen ist der Wert Gamma, inf mit 0.0 vorbelegt. Dies hat zur Folge, dass diese im günstigen Falle keinen Einfluss auf die Ergebnisse haben. Es ist aber möglich, diesen Wert zu ändern.
Die Überlagerung wird für jede einzelne Schnittgröße (N, My, ...), Auflagerkraft, etc. getrennt durchgeführt. Ein Nutzlastfall wird folgendermaßen bei der Berechnung der Extremwerte berücksichtigt:
SchnittgrößeMaximumberechnungMinimumberechnung
> 0.0wird berücksichtigtwird nicht berücksichtigt
< 0.0wird nicht berücksichtigtwird berücksichtigt
= 0.0wird berücksichtigtwird berücksichtigt
Hat eine Schnittgröße in einem Lastfall genau den Wert 0.0, so wird dieser Lastfall sowohl bei der Maximum- als auch bei der Minimumberechnung berücksichtigt. Für die Extremwertberechnung könnte der Lastfall auch nicht berücksichtigt werden. Dies liefert dieselben Ergebnisse. Auswirkungen hat die Berücksichtigung aber auf die zugehörigen anderen Schnittgrößen, da in deren Berechnung der Lastfall mit einfließt.

Berücksichtigung von Wind

Wind wird bei der Bildung der Überlagerungsregeln wie eine Nutzlast behandelt. Da Wind in der Realität nur aus einer Richtung gleichzeitig wehen kann, muss zusätzlich bei der Überlagerung ein gegenseitiger Ausschluss berücksichtigt werden. Diesen Ausschluss kann der Anwender bei der Bildung einer Überlagerungsregel berücksichtigen lassen. Dazu müssen die Lastarten der einzelnen Windrichtungen entsprechend gesetzt sein. Wenn eine Windbelastung nicht in diesem Ausschlussverfahren berücksichtigt werden soll, so kann sie als ganz normale Nutzlast, mit entsprechend angepassten Beiwerten, definiert werden.

Berücksichtigung von Schnee

Schnee ist in seinen Auswirkungen eine Mischung aus "Ständiger Last" und "Nutzlast". Er wirkt zwar nicht immer. Wenn er aber wirkt, so wirkt er auf dem kompletten Bauwerk. Bei der Bildung der Überlagerungsregel kann vom Anwender angegeben werden, ob entsprechende Einwirkungen wie Schnee behandelt werden sollen, oder nicht.

Berücksichtigung von Vorspannung und Außergewöhnlichen Einwirkungen

Diese werden bei der Bildung der Überlagerungsregel wie ständige Lasten behandelt. Sie sind aber mit anderen Sicherheitsbeiwerten behaftet.

Sicherheitsbeiwerte der Einwirkungsart

Diese beiden Spalten existieren nur bei Normen, die Sicherheitsbeiwerte auf der Lastseite berücksichtigen. Bei der Überlagerung werden die Werte dieses Lastfalles entweder mit Gamma, inf oder mit Gamma, sup multipliziert. Wenn der jeweilige Wert günstig wirkt, also das Ergebnis verkleinert, so wird er mit Gamma, inf multipliziert. Vergrößert er hingegen das Ergebnisse, so wird er mit Gamma, sup multipliziert.

Beispiel 1

LastfallEinwirkungsartGamma,infGamma,supMoment
4Ständig1,001,35100,00
5Nutzlast0,001,50150,00

Das maximale Moment ergibt sich zu: 1.35 * 100 + 1,50 * 150 = 360,00 kNm.
Das minimale Moment ergibt sich zu: 1.00 * 100 + 0,00 * 150 = 100,00 kNm


Beispiel 2

LastfallEinwirkungsartGamma,infGamma,supMoment
4Ständig1,001,35-100,00
5Nutzlast0,001,50-150,00

Das maximale Moment ergibt sich zu: 1.00 * (-100) + 0,00 * (-150) = -100,00 kNm
Das minimale Moment ergibt sich zu: 1.35 * (-100) + 1,50 * (-150) = -360,00 kNm

Wie man an diesem Beispiel sieht, ist 'günstiger' keine Frage des Vorzeichens: Ein Ergebnis wird dann 'günstiger', wenn der Wert gegen Null geht. In Beispiel 2 ist das 'minimale' Moment beispielsweise der 'ungünstigere' Fall. 

Kombinationsbeiwerte der Einwirkungsart

Diese Spalten existieren nur bei Normen, die Kombinationsbeiwerte berücksichtigen. Die Kombinationsbeiwerte werden bei diesen Normen bei den veränderlichen Einwirkungen automatisch berücksichtigt.

Welche der Kombinationsbeiwerte zu berücksichtigen sind, ist von Norm zu Norm unterschiedlich. Ebenso unterscheidet sich deren Anwendung in Abhängigkeit von der zu untersuchenden Bemessungssituation. Hinter allen Normen und Situationen steckt aber folgende Überlegung:

Es wird als statistisch unwahrscheinlich angesehen, dass mehrere veränderliche Einwirkungen jeweils mit ihrem Maximalwert gleichzeitig auftreten. Deshalb dürfen diese beim gleichzeitigen Auftreten abgemindert werden. Diese Überlegung wurde schon in der DIN 18800-90 bei der Unterscheidung zwischen Grundkombination 1 und Grundkombination 2 berücksichtigt.

In den neueren Normen werden die veränderlichen Einwirkungen mit Kombinationsbeiwerten berücksichtigt. Die maßgebende veränderliche Einwirkung wird Leiteinwirkung genannt, die anderen heißen "weitere veränderliche Einwirkungen". Die Normen sehen unterschiedliche Kombinationsbeiwerte für die Leiteinwirkung und die weiteren veränderlichen Einwirkungen vor.
Bei der Leiteinwirkung handelt es sich nicht um einen einzelnen Lastfall, sondern um eine Gruppe von Nutzlastfällen mit derselben Einwirkungsart. Bei der Kombinationsbildung werden (können) verschiedenen Lastfälle zu diesen Gruppen zusammengefasst werden.
In der Theorie ist das ganz einfach.

In der Praxis ist es aber schon bei kleinen Systemen schwierig festzustellen, welche Einwirkung die Leiteinwirkung ist. Für jede veränderliche Einwirkung wird daher eine separate Berechnung durchgeführt, bei der diese als Leiteinwirkung berücksichtigt wird. Die anderen Einwirkungen sind dabei die "weiteren veränderlichen Einwirkungen". Dieser Satz an Berechnungen wird "zyklische Vertauschung" genannt.

Diese zyklische Vertauschung wird vom Programm automatisch durchgeführt.